Lisa Mathys: «Die SP ist nicht der Gegenpol zur SVP – dagegen wehre ich mich entschieden»

Die Grossrätin steht den Sozialdemokraten in Basel-Stadt seit 2021 vor, nun gibt sie ihr Amt ab. Wie sie mit Macht umgeht, wo sie die Toleranzgrenze zieht und welche Rolle ihre Partei bei der Polarisierung spielt, erzählt sie im Interview.

Porträt von Lisa Mathys, scheidende Präsidentin der SP Basel-Stadt, im März 2025
«Wir würden gerne an unseren Taten gemessen werden»: Lisa Mathys. (Bild: Alessandra Paone)

Lisa Mathys, wie ist es, Präsidentin der grössten und mächtigsten Partei in Basel zu sein?

Lisa Mathys: Es ist vor allem eine grosse Ehre. Ich war immer wieder sehr dankbar, dieser Partei vorstehen zu dürfen, weil sie mich stolz macht. Wir haben einen konstruktiven Ansatz und sind stark – im Sinne, dass wir etwas verändern wollen und es auch tun.

Wie gehen Sie mit Macht um?

Es lässt sich nicht von der Hand weisen: Man hat als Präsidentin der grössten Partei im Kanton irgendwie auch Macht. Mir war es in meiner Position aber immer wichtig – und das wird es bis zum Schluss bleiben –, Machtpositionen zu reflektieren, anzusprechen und zu diskutieren. Ich habe den Anspruch, allen in die Augen schauen zu können und nach bestem Wissen und Gewissen korrekt zu handeln. Dass es für uns als SP mit so vielen Parlamentsmitgliedern, drei Regierungsmitgliedern und einer grossen Basisbewegung immer auch ein internes Ausloten der Macht ist, liegt in der Natur der Sache. Dieses Thema hat uns auch als Partei beschäftigt. Seit einigen Jahren haben wir ein Kulturleitbild, das in unseren Statuten verankert ist. Ein Grundsatz darin ist: kein Machtmissbrauch.

Ist es während Ihrer Amtszeit zu Machtmissbrauch gekommen?

Ich hoffe nicht, nein. Die Konstellation, in der sich unsere Partei mit den unterschiedlichen Ämtern und Rollen befindet, ist aber herausfordernd. Umso wichtiger ist es, sich an die Spielregeln zu halten. Was aber nicht bedeutet, dass man sich nicht energisch für seine Meinung engagieren darf.

Sie haben die Parteileitung 2021 mit Jessica Brandenburger übernommen, standen nach zwei Jahren aber alleine da. Hat das besser funktioniert als im Co-Präsidium?

Das war so nicht geplant. Zum Zeitpunkt von Jessica Brandenburgers Rücktritt stand ich bereits als Kandidatin auf der Nationalratsliste und hatte die Aufgabe, die Partei durch die Wahlen zu führen. Es wäre für mich unmöglich gewesen, parallel dazu ein neues Co-Gefüge aufzubauen. Am Ende hat es im Team mit den beiden Vizepräsidenten gut geklappt, auch dank meiner Familie. Sie hat ohne die Augen zu verdrehen akzeptiert, dass ich viel unterwegs sein werde, und mich darin unterstützt. Ich bin aber nach wie vor der Meinung, dass für eine Partei wie die SP Basel-Stadt mit sehr vielen Anspruchsgruppen und Themen ein Co-Präsidium keine schlechte Lösung wäre. Bei der SP Schweiz klappt das bestens; die Grünen und die Mitte in Basel-Stadt haben sich auch so organisiert.

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Nationale Wahlen, zwei Bundesratswahlen, eine Regierungsersatzwahl und kantonale Gesamterneuerungswahlen: Wann wurde es Ihnen zu viel?

Es gab Situationen, in denen ich nüchtern betrachtet die Grenze des Stemmbaren ritzte. Die vergangenen zweieinhalb Jahre waren sehr streng. Wenn ich mit etwas Abstand zurückblicke, frage ich mich manchmal: Wie habe ich das geschafft? Arbeitslast kann man aufteilen, nicht aber den mental load. Schon gar nicht, wenn man so committed ist, wie ich mich committed fühle.

Die psychische Belastung war bei den beiden Bundesratswahlen mit Eva Herzog und Beat Jans wohl besonders hoch.

Ja. Obwohl die Arbeitslast hier nicht sehr gross war, habe ich den emotionalen Druck sehr stark gespürt. Wir haben mitgefiebert, die Kandidierenden unterstützt und wollten bestmöglich zum Erfolg beitragen. Und kaum war Beat Jans gewählt, stand auch schon die Ersatzwahl für die Regierung an. Wir mussten über Weihnachten von 0 auf 100 eine Kampagne auf die Beine stellen.

«Noch viel wichtiger als die Köpfe sind die inhaltlichen Ziele der SP.»
Lisa Mathys

Sie wirkten beim Nominationsprozess etwas überfordert. Die SP schien nicht auf die Situation vorbereitet zu sein.

Ich kann gut nachvollziehen, dass das von aussen so wahrgenommen wurde. Und es war tatsächlich keine chillige Woche. Die Nicht-Wahl von Eva Herzog im Vorjahr hat dabei wohl auch eine Rolle gespielt; man war ein bisschen traumatisiert. Es war aber auch eine schöne Zeit, in der ich viel über Menschen gelernt habe.

Nämlich?

Ich habe sehr viele Gespräche geführt und gemerkt, dass sich viele Leute einer so relevanten Entscheidung erst dann stellen können, wenn sie real ansteht – und nicht theoretisch auf Vorrat.

War eine Regierungskandidatur für Sie auch ein Thema?

Ich habe es mir überlegt, aber für mich war sehr schnell klar, dass ich eine andere Rolle hatte. Als Präsidentin war es meine Aufgabe, zusammen mit der übrigen Wahlleitung die bevorstehenden kantonalen Gesamterneuerungswahlen vom Herbst vorzubereiten.

Wir schliessen daraus: Das Regierungsamt würde Sie grundsätzlich interessieren.

Ich schliesse es zumindest nicht aus. Aber ich bin da ganz entspannt; die Erfahrung zeigt, dass man solche Dinge nicht planen kann. Ausserdem fühle ich mich sehr wohl als Parlamentarierin; ich habe aus Überzeugung für den Nationalrat kandidiert, ich politisiere gerne im SP-Team.

Wer weiss, plötzlich wird in der Regierung ein Sitz frei, weil Tanja Soland für Eva Herzog in den Ständerat zieht …

(Lacht) Wir sind froh, dass Eva Herzog ihr Amt voller Energie ausübt.

Porträt von Lisa Mathys, scheidende Präsidentin der SP Basel-Stadt, im März 2025
Ein Herz fürs Radio

Lisa Mathys wurde 1978 in Huttwil geboren. 2003 hat die heute 47-Jährige den Kanton Bern verlassen und ist nach Basel gezogen. Seit 2020 arbeitet sie als Projektleiterin im Bereich erneuerbare Energien und aktuell im Bereich Kreislaufwirtschaft, vorher war sie politische Sekretärin und Geschäftsleitungsmitglied der SP Baselland. Bis dahin war sie 13 Jahre lang als Radiomoderatorin tätig, etwa bei Radio Basel 1.

Mathys politisiert seit 2018 für die SP Basel-Stadt im Grossen Rat und steht der Partei seit 2021 vor – zuerst als Co-Präsidentin und später als alleinige Präsidentin. Sie ist verheiratet und Mutter von drei Kindern. (ale.)

In Ihrer Amtszeit wurde Beat Jans zum Bundesrat gewählt und Mustafa Atici zum ersten Regierungsrat mit kurdischen Wurzeln. Sind Sie zufrieden?

Die personellen Erfolge sind toll. Aber noch viel wichtiger als die Köpfe sind die inhaltlichen Ziele der SP.

Ohne Köpfe lassen sich die Ziele aber nur schwer erreichen.

Ich bin sehr stolz, dass unser Kanton wieder einen Bundesrat stellt und mit Mustafa Atici zum ersten Mal jemand in eine Kantonsregierung gewählt wurde, der erst als Erwachsener in die Schweiz gekommen ist. Wahlerfolge wie zuletzt bei den Regierungswahlen, bei denen unsere drei Regierungsmitglieder auf Anhieb und mit Spitzenresultaten gewählt wurden, sind eine grosse Freude. Sie sind aber nicht unser Antrieb. Abstimmungen wie jene über den Mindestlohn, das Netto-Null-Ziel des Kantons oder die 13. AHV-Rente sind für uns zentraler.

Bei umstrittenen Projekten – zuletzt beim Basler Standortpaket – stellt sich die SP-Basis am Ende hinter ihre Regierungsmitglieder – wenn auch widerwillig. Wie geht man als Parteipräsidentin in solchen Situationen vor?

Unsere Basis ist nicht regierungshörig. Es gibt genügend Beispiele, bei denen sie anders als die Regierung entschieden hat, etwa bei der Unternehmenssteuerreform III. Am Ende war es bei dieser Vorlage eine Frage der Gewichtung: Legt man den Schwerpunkt eher auf die realpolitische Einschätzung oder auf die politischen Grundsätze? Obwohl ich das Standortpaket klar befürworte, habe ich Verständnis für diejenigen, die bei diesem Thema eher den politischen Grundsätzen folgen. Mir ist es bei umstrittenen Projekten wichtig, dass in einer Delegiertenversammlung alle ihren Standpunkt vertreten können und eine respektvolle Debatte stattfindet. Dass die Basis oft die realpolitische Einschätzung höher gewichtet, liegt wohl auch daran, dass wir elementar wichtige Themen in die Vorlagen einbringen. So ist zum Beispiel die Finanzierung der Elternzeit im Standortpaket enthalten, weil unsere Fraktion Vorstösse gemacht hat, die das forderten.

Ihre Partei hat entscheidend dazu beigetragen, dass SVP-Politiker Beat K. Schaller nicht Statthalter und später Grossratspräsident wird. Schadet eine solch prinzipientreue Politik nicht dem politischen Miteinander?

Es sind geheime Wahlen, ich weiss nicht, wie die einzelnen Mitglieder unserer Fraktion gestimmt haben. Dass 61 von 100 Grossratsmitgliedern Beat K. Schaller nicht gewählt haben, zeigt aber, dass längst nicht nur die SP-Fraktion gegen seine Wahl war.

Die SP hat aber eine wichtige Rolle gespielt; sie hat eine Anhörung organisiert.

Die Kritik kam auch von anderer politischer Seite – und zwar postwendend, nachdem die SVP die Nomination bekannt gegeben hatte. Es ging nicht um die politischen Positionen. Wir haben Beat K. Schaller als spaltend in der Gesellschaft, diskriminierend in seinen Voten und als Zünder in den Sozialen Medien wahrgenommen. All das steht im Widerspruch zum Grossratspräsidium, das eine einende Funktion hat und verantwortlich für den parlamentarischen Anstand ist. Im Hearing konnte er unsere Bedenken leider nicht zerstreuen.

«Die Rechte tut so, als würde das Wohlergehen der Gesellschaft davon abhängen, dass möglichst alle ein eigenes privates Auto haben.»
Lisa Mathys

Doch fördert Ausgrenzung nicht die Radikalisierung?

Bei der Wahl des Ratspräsidiums geht es um das Ansehen der demokratischen Institutionen.Abgesehen davon ist Beat K. Schaller bestens in die parlamentarische Arbeit einbezogen. Wir arbeiten alle mit ihm zusammen. Ich war lange mit ihm in derselben Kommission.

Wo ziehen Sie die Toleranz-Grenze?

Solange sachlich und faktenbasiert diskutiert wird, ist für mich alles im grünen Bereich. Persönliche Angriffe oder Herabwürdigungen gehen hingegen klar über die Toleranzgrenze hinaus.

Ihre Partei tritt sehr ideologisch und strikt auf, zum Beispiel in Klimafragen. Dabei werden Menschen abgehängt, etwa solche, die auf ein Auto angewiesen sind. Ist das für eine staatstragende, soziale Partei das korrekte Verhalten?

Die Rechte tut so, als würde das Wohlergehen der Gesellschaft davon abhängen, dass möglichst alle ein eigenes privates Auto haben, das zu 95 Prozent der Zeit herumsteht und im öffentlichen Raum von der Allgemeinheit finanziert abgestellt werden darf. Das ist mindestens so ideologisch wie unser Ansatz, dass dieser Raum von allen genutzt werden soll, gerade in einer kleinen und dicht bebauten Stadt wie Basel.

Es ist vor allem die Arbeiterschicht, also Ihre Klientel, die auf das Auto angewiesen ist. Weil morgens um 4 Uhr, wenn ihre Schicht beginnt, kein Zug fährt.

Hätten nur die Leute ein Auto, die wirklich darauf angewiesen sind, dann hätten wir kein Problem. Die Zahlen zeigen, dass in einem Auto im Schnitt 1,2 Menschen sitzen. Die Hälfte des Verkehrs auf den Autobahnen ist Freizeitverkehr. Das ist nicht ideologisch, das sind statistische Fakten. Und Menschen mit tiefem Einkommen helfen wir weder mit tieferen Parkkarten-Preisen noch mit Carsharing-Diskussionen. Sie leiden unter den hohen Wohnungsmieten, den steigenden Krankenkassenprämien und den steigenden Preisen für andere Dinge, die sie nicht einsparen können. Diesen Menschen wäre geholfen, wenn man zum Beispiel die Krankenkassenprämien bei zehn Prozent ihres Einkommens deckeln würde, so wie wir es fordern.

Auch Sympathisanten werfen Ihnen vor, die eigene Klientel, die Arbeiterinnen und Arbeiter, mit zu viel Schöngeist und Akademisierung zu vergraulen. Wie kann die SP diese Menschen in Zukunft wieder für sich gewinnen?

Wir würden gerne an unseren Taten gemessen werden. Denn wir setzen uns nach wie vor für gute Arbeitsbedingungen, für mehr Ferien, für Mindestlöhne oder für mehr Vereinbarkeit von Familie und Beruf ein.

Lisa Mathys und Martin Leschhorn von der SP Basel-Stadt freuen sich über die Wahlergebnisse
In Siegeslaune: Lisa Mathys mit Martin Leschhorn. (Bild: Alessandra Paone)

Aber wie die SP ihre Inhalte präsentiert, ist vielen Menschen zu hochgestochen. Sie fühlen sich nicht abgeholt.

Es ist ein Spannungsfeld zwischen einfach reden und populistisch werden. Wir sind der Meinung, dass es eine gewisse Differenziertheit braucht, um Inhalte und Positionen richtig zu erklären. Und je differenzierter etwas dargestellt wird, desto komplizierter tönt es halt oft auch. Es ist eine Herausforderung, die ich nicht bestreite. Wichtig ist, dass wir den relevanten Gruppierungen aufzeigen können, wer die sozialen Errungenschaften erkämpft hat und immer wieder dafür einsteht.

Corona, Kriege, Klima – die Gesellschaft polarisiert sich. Wie kann die SP dem entgegenwirken?

Wir müssen uns bei allen Themen, die uns im Moment als Individuen zur Verzweiflung treiben, immer wieder bewusst werden, wo unser persönlicher Wirkungskreis ist. Dort können wir etwas verändern; nicht im Nahen Osten, in der Ukraine oder in den USA. Der Wirkungskreis unserer Partei ist zum einen das Parteileben. Wie begegnen wir uns, wie gehen wir miteinander um, wie streiten wir? In diesem Sinne können wir ein Vorbild sein. Zum anderen müssen wir unsere politische Arbeit in den Ämtern, die wir bekleiden, so ausüben, dass wir möglichst viele Menschen mitnehmen können. Ich denke da zum Beispiel an die Ausgestaltung der Klimamassnahmen. Wir müssen die Leute dafür begeistern, mit Freude mitzutragen, was nötig ist für eine lebenswerte Zukunft, ohne dass das Gefühl entsteht, wir seien auf einer ideologischen Mission.

In der Schweiz spiegelt sich die Polarisierung auch beim Kräfteverhältnis der Parteien wider. SP und SVP legen zu. Diese Entwicklung an den Polen schadet dem Konsens.

Die SP ist nicht der Gegenpol zur SVP – dagegen wehre ich mich entschieden. Generell nicht und schon gar nicht in Basel-Stadt.

Sondern?

Im Gegensatz zur SVP verteidigt die SP die demokratischen Rechte und betreibt eine Politik gegen Ausgrenzung. Das sind staatstragende, nicht extreme Positionen. Die SP steht mit ihren Anliegen mitten in der Gesellschaft. Ausserdem haben wir x-fach bewiesen, dass wir Kompromisse mittragen können. In den vergangenen Jahren ist es am rechten Rand zu einer Extremisierung gekommen. Der Ton ist schärfer geworden, und man leugnet sogar wissenschaftliche Erkenntnisse. Wenn man also sagt, die SP sei der Gegenpol dazu, würde das bedeuten, dass bei uns eine ähnliche Entwicklung stattgefunden hat. Es mag sein, dass wir pointierte Aussagen machen, wir sind aber nie ausgrenzend, demokratiefeindlich oder setzen uns über wissenschaftliche Erkenntnisse hinweg. Genauso wenig hetzen wir gegen einzelne Gruppierungen. Das ist nicht unsere Politik.

Ist die SVP mit national 28 Prozent Wähleranteil nicht «mitten in der Gesellschaft»?

Die SVP betreibt eine Politik der Spaltung und Ausgrenzung, sie macht eine Politik für das Grosskapital. Ihre Nähe zu autoritären Regimen ist immer wieder bedenklich. Der Wählerinnen- und Wähleranteil allein sagt wenig darüber aus, ob man sich wirklich für die grosse Mehrheit der Gesellschaft einsetzt.

«Wir sehen keine Lösung darin, Menschen zu verbieten, nach Europa und in die Schweiz zu kommen, wenn sie Schutz suchen.»
Lisa Mathys

In einigen westlichen Ländern ist die radikale Rechte an der Macht oder legt wie jüngst in Deutschland massiv zu. Die Linke wirkt dagegen ratlos. Warum?

Es gibt Menschen, die täglich ums Überleben kämpfen, die am Ende des Monats nicht wissen, ob sie ihre Rechnungen bezahlen können und deshalb stark unter Druck sind. Bei der Verteilung des Vermögens, aber auch bei den Löhnen klafft die Schere immer weiter auseinander. Das gefährdet das soziale Gefüge und schafft die Voraussetzung dafür, dass die rechte Politik mit ihren einfachen, populistischen Scheinrezepten und Schuldzuweisungen verfängt. Ich finde es anmassend, der Linken in anderen Ländern Ratschläge zu erteilen. Aber wie schon erwähnt ist es wichtig, möglichst viele Leute mitzunehmen, mit viel Fleiss zu arbeiten, sodass die Ungleichheit nicht weiter zunimmt.

Wäre es nicht auch hilfreich, Probleme anzusprechen und zu benennen? Oder warum scheut sich die Linke, das Thema Migration anzugehen?

Das Problem ist, dass die Linke hier mit ihren Vorschlägen, wie man die Migrantinnen und Migranten besser integrieren kann oder wie ein gutes Miteinander möglich ist, nicht durchkommt. Wir schauen diese Themen sehr genau an, kommen aber nicht zu einem Schluss, den man populistisch ausschlachten könnte. Wir sehen keine Lösung darin, Menschen zu verbieten, nach Europa und in die Schweiz zu kommen, wenn sie Schutz suchen. Und vor allem sehen wir nicht ein, weshalb wir Menschen zu Sündenböcken machen sollen für Dinge, für die sie nicht verantwortlich sind. Fakt ist, dass der allergrösste Teil der Zugewanderten friedlich mit uns lebt und zum Beispiel dafür sorgt, dass wir im Spital gut versorgt werden. Es wird aber alles auf ihrem Buckel ausgetragen.

Im Baselbiet erntete SP-Sicherheitsdirektorin Kathrin Schweizer viel Kritik aus den eigenen Reihen, weil sie in einem Interview ein Problem mit Flüchtlingen aus dem Maghreb benannte.

Ich kann mich an die konkrete Situation nicht erinnern. Mir ist es wichtig, dass man genau schaut, in welcher Situation sich die Menschen befinden, die straffällig werden. Nur so kommen wir zu wirklichen Lösungen. Es darf nicht passieren, dass alle Menschen, die mutmasslich aus dieser Gegend stammen, unter Generalverdacht gestellt werden. Das Problem ist nicht die Herkunft, das Problem sind Lebensumstände, Traumata, fehlende Perspektiven und so weiter. Die Aufteilung in bessere und schlechtere Bevölkerungsgruppen widerstrebt mir zutiefst.

Zum Schluss noch etwas Versöhnliches: Kann die erfolgsverwöhnte SP in Basel-Stadt noch wachsen?

Wir sind dran und haben eine rekordhohe Mitgliederzahl von gut 1300 erreicht. Dies obschon wir in den vergangenen zweieinhalb Jahren wegen der vielen anderen Baustellen den strategischen Fokus wirklich nicht auf den Mitgliederzuwachs gelegt haben. Wir freuen uns sehr darüber!

Wie sieht es beim Wähleranteil aus?

Prognosen sind wegen der zusätzlichen Liste im linken Lager schwierig. Unser Ziel ist es aber, dass wir wieder zu einem Wählerinnen- und Wähleranteil von über 30 Prozent zurückkehren.

OnlineReports veröffentlicht immer am ersten Samstag des Monats ein grosses Interview. Hier kommen Persönlichkeiten aus den Bereichen Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur und Sport zu Wort.

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