«Ein Eingeständnis, dass das Wohnschutzgesetz über das Ziel hinausgeschossen hat?»
Der Vizepräsident der Mitte Basel-Stadt reagiert auf die Kolumne von SP-Grossrätin Melanie Nussbaumer.
Bei der Lektüre der Kolumne «Die Hitze trifft nicht alle gleich» von SP-Grossrätin Melanie Nussbaumer fiel mir ein Zitat des ehemaligen britischen Premierministers Benjamin Disraeli (1804–1881) ein: «Es gibt keine Doppelmoral in der Politik, nur unterschiedliche Grade von Heuchelei.» Nichts liegt mir ferner, als Frau Nussbaumer der Heuchelei zu bezichtigen. Einer Partei, in diesem Fall meiner, demokratiepolitisch fragwürdiges Verhalten zu attestieren, nur weil diese eine Volksinitiative lanciert hat, ist aber mehr als bedenklich.
Es entbehrt jedoch nicht einer gewissen Ironie, dass sich gerade ein Mitglied der Basler SP zu solch einer Aussage hinreissen lässt. Zur Veranschaulichung: Drei Mal lehnten die Basler Stimmbürgerinnen und Stimmbürger bereits das Stimm- und Wahlrecht für Ausländerinnen und Ausländer deutlich ab, und just am Abend der letzten Abstimmungsniederlage wurde von einzelnen Exponentinnen genau dieser Partei ein erneuter Anlauf in Aussicht gestellt. Der Zweck heiligt hier wohl die Mittel.
Aber nun zum Wohnschutz. Was ist kürzlich geschehen?
Kleinere Sanierungen und ökologische Massnahmen bei Basler Wohngebäuden sollen im Einklang mit dem Wohnschutzgesetz vereinfacht werden. Regierungspräsident Conradin Cramer präsentierte eine entsprechende Teilrevision der Wohnraumschutzverordnung. Diese Teilrevision ist bitter nötig, da der Regierungsrat durch die Stimmbevölkerung beauftragt wurde, den Kanton bis 2037 in die Klimaneutralität zu führen.
Dieser Volksauftrag wird, soweit mir bekannt, von der SP nicht bestritten. Die strenge Wohnschutzgesetzgebung steht aber im Widerspruch zu den ambitionierten Klimazielen, die ohne energetische Sanierungen kaum zu erreichen sind. Der Gebäudepark in Basel sowie in der ganzen Schweiz ist ein wichtiger Faktor bei der Erreichung der Klimaziele. Gebäude sind für einen erheblichen Teil des Energieverbrauchs und der CO2-Emissionen verantwortlich. Wie die ambitionierten Ziele ohne entsprechende energetische Investitionen in den Gebäudepark erreicht werden sollen, ist mir schleierhaft.
Was mir aber wichtig ist zu betonen: Verordnungsänderungen liegen in der Kompetenz des Regierungsrates. Es darf nicht der Eindruck erweckt werden, der Regierungsrat würde eigenmächtig eine Gesetzesänderung vornehmen – das tut er nicht, sonst wäre er in diesem Fall viel weiter gegangen. Er bewegt sich innerhalb des gesetzlichen Rahmens. Was daran «demokratiepolitisch fragwürdig» sein soll, ist mir ebenfalls nicht verständlich.
Frau Nussbaumer unterschlägt ausserdem in ihrem Text, dass der Mieterinnen- und Mieterverband seinerseits zwei neue Volksinitiativen angekündigt hat. Unter anderem soll ein kantonaler Fonds – bezahlt von Steuergeldern notabene – ökologische Sanierungen in Basel wieder möglich machen. Ein Eingeständnis, dass das Wohnschutzgesetz über das Ziel hinausgeschossen hat?
Kommen wir zum Schluss zu meiner Partei. Diese hat vor einiger Zeit angekündigt, selbst eine Initiative für einen vernünftigen und ausgewogenen Wohnschutz lancieren zu wollen, die das Hauptproblem der aktuellen Gesetzgebung adressiert: Der heutige gesetzliche Rahmen schützt primär bestehende Mietverhältnisse – Wohnungssuchende, darunter viele junge Familien, bleiben weitgehend unberücksichtigt.
Sämtliche Vermieterinnen und Vermieter werden über den gleichen Kamm geschert.
Es braucht einen fairen Ausgleich zwischen dem berechtigten Schutz der Mieterinnen und Mieter und der Möglichkeit, bestehenden Wohnraum zu erneuern und neu zu schaffen. Weiter werden sämtliche Vermieterinnen und Vermieter über den gleichen Kamm geschert. Viele private Hauseigentümerinnen und Hauseigentümer besitzen ein einziges Mehrfamilienhaus, das sich oft seit Generationen im Familienbesitz befindet. Sie vermieten fair, sozial verträglich und mit persönlichem Bezug zu den Mietenden. Diese Eigentümerinnen und Eigentümer kennen ihre Mietenden oft persönlich und waren über die Jahre kulant bei Mietzinsanpassungen. Ein Gesetz, dass solche Personen nun aber mit denselben rigorosen Regeln konfrontiert wie institutionelle Investoren, lässt jede Verhältnismässigkeit vermissen.
Dass die Stimmbevölkerung nun die Gelegenheit haben soll, unter diesen neuen Erkenntnissen und Voraussetzungen erneut über die Ausgestaltung des Wohnschutzes abzustimmen und den Zielkonflikt zwischen Wohnschutz und Klimazielen zu lösen, ist nicht «demokratiepolitisch fragwürdig», sondern die Essenz einer lebendigen Demokratie.
*Marco Natoli ist Vizepräsident der Mitte Basel-Stadt und reagiert in diesem Beitrag auf die Kolumne von Melanie Nussbaumer mit dem Titel «Die Hitze trifft nicht alle gleich», erschienen am 30. Juni 2025. Die Kolumnistinnen und Kolumnisten von OnlineReports sind wie die Gastautorinnen und -autoren in ihrer Meinung frei; sie braucht sich nicht mit jener der Redaktion zu decken.