Reto Tschudin will in die Regierung – und wäre notfalls jetzt schon bereit
Der SVP-Politiker wird ein Jahr lang das Baselbieter Parlament präsidieren. Das macht es für ihn schwierig, für die Nachfolge von Monica Gschwind in der Regierung zu kandidieren. Er schliesst es aber nicht aus.
Reto Tschudin könnte sich gut vorstellen, einmal Teil der Baselbieter Regierung zu sein. Das ist allgemein bekannt, und der SVP-Landrat aus Lausen gibt gerne Auskunft, wenn man ihn dazu befragt.
Auch an diesem Morgen im Juni vor der Landratssitzung. Der 40-Jährige sitzt im Vorzimmer des Ratssaals. Er sagt: «Ich mache kein Geheimnis daraus, dass mich das Amt reizen würde.»
Wenig später verkündet Bildungsdirektorin Monica Gschwind ihren Rücktritt aus der Regierung. Ende Dezember ist Schluss.
Eigentlich hätte Tschudin nun die Gelegenheit, seine Regierungs-Ambitionen zu verfolgen. Nur kommt Gschwinds Rücktritt für ihn zu einem äusserst ungünstigen Zeitpunkt. Der SVP-Politiker wird am Donnerstag voraussichtlich zum Landratspräsidenten gewählt. Würde er am 26. Oktober für die Regierung kandidieren, könnte er das Amt des höchsten Baselbieters wohl nicht zu Ende führen.
Das kommt für Tschudin jedoch «nicht wirklich» infrage. Das Präsidium bedeute ihm viel. Er freue sich auf das bevorstehende Jahr, die Aufgaben, die ihn erwarten, und auf die Feier in seiner Gemeinde, für die so viele Menschen im Vorfeld gearbeitet haben und am Tag der Wahl im Einsatz sein werden.
«Es soll vor allem ein Fest für die Bevölkerung von Lausen sein – und auch für meine Familie.» Tschudin ist verheiratet und Vater von drei Kindern. Er ist in Lausen aufgewachsen und hier stark verankert, ist Mitglied im Turnverein, war Präsident des EHC Lausen, und sein Sohn spielt beim Fussballclub AC Rossoneri. Alle Vereine helfen an der Landratspräsidentenfeier mit.
Bekenntnis zur Büza
Das Landratspräsidium ist aber nicht der einzige Grund, weshalb Tschudin lieber nicht jetzt kandidieren möchte. Er bekennt sich zur bürgerlichen Zusammenarbeit und hätte Hemmungen, den freisinnigen Sitz anzugreifen. Tschudin lässt sich aber alle Optionen offen.
Die Büza, so nannte man sie früher, funktioniert nicht immer gleich gut. Bei den Gesamterneuerungswahlen 2023 etwa schwächelte die Unterstützung von FDP und Mitte für die SVP-Kandidatin Sandra Sollberger stark.
Das lag wohl vor allem an den extremen Positionen, die die Nationalrätin in Bern einnimmt. Wer einen harten Kurs vertritt, hat bei Personenwahlen in der Regel einen schweren Stand. Gilt die Kandidatin oder der Kandidat aber über die eigene Partei hinaus als wählbar, kann die Büza durchaus schlagkräftig sein. Die Wahl von Thomas Weber im Jahr 2013 ist ein gutes Beispiel dafür.
Wie der frühere Volkswirtschafts- und Gesundheitsdirektor gehört auch Tschudin zum gemässigten Flügel der SVP – nicht inhaltlich, aber im Auftritt. «Ich haue nicht auf den Tisch – das liegt mir nicht», sagt der künftige Landratspräsident. Provokative Voten oder öffentliche Angriffe gegen den politischen Gegner kennt man von ihm nicht. Er versuche Lösungen zu suchen, ohne dabei aber von seinen Positionen abzuweichen.
Zu Tschudins Landratspräsidentenfeier in Lausen haben sich 78 Kolleginnen und Kollegen aus dem Parlament angemeldet – verteilt über alle Fraktionen. Das sei nicht selbstverständlich und zeige, dass man ihn, den Aussenverteidiger des FC Landrat, auch ausserhalb der Partei schätze. Dennoch blickt er nervös dem Resultat seiner Wahl entgegen. «Und je näher der Tag rückt, desto nervöser werde ich», sagt Tschudin. Denn SVP-Politikerinnen und -Politiker gehören prinzipiell nicht zu den Bestgewählten.
Will ihn die SVP?
Doch unabhängig vom Wahl-Resultat am Donnerstag stehen Tschudins Chancen nicht schlecht, dass ihn FDP und Mitte als Regierungskandidaten unterstützen würden – allerdings erst bei den Gesamterneuerungswahlen im Jahr 2027.
Ob die SVP so lange warten mag, ist allerdings offen. Parteipräsident Peter Riebli ging unmittelbar nach Gschwinds Rücktrittsankündigung in den Angriffsmodus über und gab bekannt, als wählerstärkste Partei voll ins Wahlprozedere einzusteigen und Kandidaten für die Ersatzwahl zu evaluieren.
Gut möglich, dass die SVP am Ende aber einlenkt und sich hinter die freisinnige Kandidatur stellt, um 2027 nicht um die Unterstützung der anderen bürgerlichen Parteien bangen zu müssen. Tschudin wäre wieder im Rennen. Obwohl nicht gesagt ist, dass er die interne Ausmarchung dann auch schaffen würde.
Bereits 2023 stellte sich Tschudin zur Verfügung, musste jedoch zugunsten von Sandra Sollberger verzichten. Ausserdem steht er dem Riebli-Lager nicht besonders nahe. Während des Richtungsstreits, der in der Partei tobte und im vergangenen Jahr mit der Wahl Rieblis zum Präsidenten endete, gehörte Tschudin zu den Moderaten. Zu jenen, die mit dem harten und autoritären Kurs des damaligen Fraktionschefs Mühe hatten. Die Rieblis Sympathien für die umstrittene Sissacher Politikerin Sarah Regez kritisieren und lieber den konzilianten Arboldswiler Gemeindepräsidenten Johannes Sutter als Parteichef gehabt hätten. Doch Tschudin äusserte sich in der Öffentlichkeit nur zurückhaltend zum Streit.
Als das Fraktionspräsidium um Riebli überraschend abgesetzt wurde, übernahm Tschudin vorübergehend die Leitung – und auch die Rolle des Vermittlers zwischen den beiden Flügeln. Die Situation sei damals Schritt für Schritt eskaliert. Inzwischen habe sich die Lage aber etwas beruhigt, sagt Tschudin, und man könne sich wieder der Sachpolitik widmen. «Obwohl gewisse Leute wahrscheinlich nie mehr Freunde werden.»
Staatsangestellte haben einen schweren Stand
Ein weiterer Knackpunkt bei einer Regierungskandidatur könnte Tschudins Job sein. Er ist Leiter der Registerbehörden in der Zivilrechtsverwaltung beim Kanton Baselland. Staatsangestellte sind in der SVP nicht sehr beliebt – die Partei wettert bei jeder Gelegenheit gegen die «aufgeblähte» Verwaltung.
Tschudin weiss das und teilt die Forderung seiner Partei nach einem schlanken Staat. Er sieht seine Anstellung beim Kanton aber eher als Vorteil. «Ich kenne den Betrieb bestens, die Abläufe, die Schwächen und die Stärken. Ich wüsste, wo man ansetzen müsste, um bürokratische Hürden abzubauen und die Effizienz zu steigern.» Thomas Weber war vor seiner Regierungszeit als Astra-Mitarbeiter ebenfalls Beamter.
Nun aber möchte Tschudin sich auf das bevorstehende Jahr als höchster Baselbieter konzentrieren und den Kanton gut nach aussen vertreten. An den vielen Anlässen, die er besuchen wird. Und die er nutzen kann, um seinen Bekanntheitsgrad zu steigern. Für einen Wahlkampf, der für ihn im besten Fall schon kurz nach seinem Präsidialjahr beginnen würde.
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