Aschenputtel lässt nichts anbrennen
In der Rossini-Oper am Theater Basel merkt das Publikum nicht, dass es sich unter seinem Niveau amüsiert.
Oper, das ist die grosse Kiste, das teuerste Stück im Kulturbetrieb, mit viel Personal auf der Bühne und opulenten Bühnenbildern. Es geht aber auch anders. Das zeigen seit Jahren die Produktionen des Opernstudios am Theater Basel, hier «OperAvenir» genannt. Mit jungen Stimmen, reduziertem Orchester und fast ohne Bühnenbild. Am Freitag hatte Rossinis Aschenputtel-Oper, «La Cenerentola», auf der Kleinen Bühne Premiere, und der Jubel des Publikums war gross.
Er galt wohl hauptsächlich und hoffentlich den jungen Sängerinnen und Sängern und dem Dutzend Musikerinnen und Musikern vom Sinfonieorchester Basel, die unter der Leitung von Hélio Vida quicklebendig, präzis und farbig spielten. Da waren quirlige Flöten-Girlanden und grummelnde Kontrabass-Kommentare zu hören. Vom Hammerklavier waren als Ergänzungen zu den sängerischen Koloraturen ein paar perlende, aber kreuzbrave Läufe zu vernehmen. Man hat in Basel auch schon fantasievolleres Basso-continuo-Spiel gehört.
Den Vater der erst zwei, dann drei heiratslustigen Töchter singt mit samtenem Bass Marius Aron vom Opernstudio. Der Prinz auf Freiersfüssen ist ein Tenor, in der Basler Produktion ein Sänger mit leuchtender, allerdings nur mit viel Druck erreichter Höhe und stark eiernder Mittellage: Ervin Ahmeti. Sängerisch der Schwachpunkt der jungen Besetzung, da kann man nur viel Glück bei der weiteren Ausbildung wünschen. Mehr Standfestigkeit zeigt der Bariton Nathan Schludecker als Diener Dandini, der sich zeitweise auch als sein eigener Herr ausgibt – wir sind eben in einer turbulenten Verwechslungskomödie ohne sonderlichen geistigen Anspruch.
Verzücktes Freudentänzchen
Das Rennen um den begehrten Prinzen macht weder Clorinda noch Tisbe, sondern die dritte im Schwestern-Bunde, die lange verkannte, als Dienstmädchen missbrauchte und daher Aschenputtel genannte Angelina. Und sie reisst in der Verkörperung durch die amerikanische Mezzosopranistin Hope Nelson die Aufführung musikalisch aus dem Mittelmass heraus: eine ebenmässig geführte, vor allem in der tieferen Lage solid gestützte Stimme, die keine Angst vor den halsbrecherischen Koloraturen dieser Partie kennt und dem Publikum so manches sängerische Highlight schenkt. Hinzu kommt ihre körperliche Beweglichkeit, die den Höhepunkt erreicht, nachdem Angelina erfahren hat, dass sie wider alles Erwarten die Auserwählte ist. Gut möglich, dass dieses verzückte Freudentänzchen der Fantasie der Sängerin entsprang.
An diesem Haus hat man offenbar vergessen, dass das musikalisch Leichte nicht auf die leichte Schulter zu nehmen ist, sondern der Reflexion und allergrösster Sorgfalt bedarf.
Denn die Regie (Tilman aus dem Siepen, Bühne: Oscar Mateo Grunert) kommt nicht über besseres Studententheater hinaus. Da wird auf der Bühne chargiert, herumgetobt und -gerast, bescheidene Einfälle werden zu Tode getrampelt, es herrschen plumpe Slapsticks statt kreativer Ideen, und den Figuren fehlt jegliche Differenzierung. Es ist eine Aufführung ohne doppelten Boden.
Und wer nun meint, es sei halt nur eine Belcanto-Komödie, sei daran erinnert, dass wir am Theater Basel schon grossartige Rossini-Inszenierungen von Peter Konwitschny («Der Türke in Italien»), Claus Guth («Barbier von Sevilla») und Nikolaus Habjan (dasselbe Stück) erlebt haben. Sie alle waren vollgültige Opernproduktionen mit erfahrenem Personal und kein Anfängertheater. An diesem Haus hat man offenbar vergessen, dass das musikalisch Leichte nicht auf die leichte Schulter zu nehmen ist, sondern der Reflexion und allergrösster Sorgfalt bedarf.
Das Premierenpublikum applaudierte dessen ungeachtet heftig und wollte nicht wahrhaben, dass es sich gerade zweieinhalb Stunden unter seinem Niveau amüsiert hatte.
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