Den Tod auf die leichte Schulter genommen

«Grand Finale» verhilft dem Theater Basel zu spektakulärer Aufmerksamkeit.

«Grand Finale» am Theater Basel
Es geht um den Tod – und was danach kommt. (© Foto: Ingo Höhn)

Welch ein Timing! An Allerheiligen, am Tag vor Allerseelen, gleichzeitig mit Halloween und dem Beginn des Totenmonats November, fand auf der Grossen Bühne des Theaters Basel die Uraufführung eines Musicals statt, das den sinnigen Titel «Grand Finale» trägt. Es hat viel mit Theater, mit Geistern und dem Nachleben der Verstorbenen, mit Glitzer und Glamour zu tun und stellt wohl eher zufällig auch eine Verbindung her zur Geister-Ausstellung im Kunstmuseum und zur Schau über den Totenkult («Der Weg ins Jenseits») im Museum der Kulturen. Geschrieben haben es Philipp Stölzl (Idee, Bühne und Inszenierung), Jan Dvořák (Libretto) und Christoph Israel (Musik).

Angeblich brauchten sie dafür nicht viel mehr als ein knappes halbes Jahr, was allein schon Respekt abnötigt. Die süffigen Melodien, die bald an Broadway-Musicals und bald an Kurt Weills Songstil erinnern, sind eingängig wie Schlager von Udo Jürgens und so gekonnt instrumentiert, dass man zwischen tröpfelndem Soloklavier (Leonid Maximov) und saftiger Big Band immer wieder neue Klangkombinationen entdeckt.

Die Musik erinnert manchmal an klassische Musicals von Rodgers & Hammerstein, kann aber auch den leichten Walzer-Ton eines Erik Satie imitieren. Vereinzelte Musikzitate wie die «Rosenkavalier»-Fanfare oder Chopins Trauermarsch streuen ein wenig musikgeschichtliche Substanz in den durchgehend luftig-leichten Sound. Eliza hat ein eigenes aufsteigendes Leitmotiv (g-d-c), es gibt Schmerz-Intervalle und groteske Geisterduette. Da freut sich das opernerprobte Klassikherz, und die Jazzseele wird darüber nicht zornig sein.

«Grand Finale» am Theater Basel
Eliza wird für die Kremation vorbereitet. (© Foto: Ingo Höhn)

Es geht um den Tod und das, was danach kommt – nach Meinung der Stückautoren eine Zwischenphase, in der die Physis des Menschen in einen geisterhaften Zustand übergeht. Da es noch eine gewisse Kommunikation zwischen Lebenden und Toten gibt – mit der Kremation hört dann auch diese auf –, ergeben sich surreal-skurrile Geisterdialoge.

Das Stück ist zirkulär konstruiert, es beginnt mit dem alkoholbedingten Bühnentod der Sängerin Eliza Castafiore (hinreissend: Elissa Huber) und endet mit ihrem Triumph auf der Opernbühne. Ihr glamouröses Leben in einem Provinztheater wird in der Rückschau von ihrem ehemaligen Liebhaber Giulio Huttner (in allen Belangen souverän: Stefan Kurt) und ihrem einstigen Bewunderer, dem Bürgermeister der namenlosen Stadt (Klaus Brömmelmeier in mehreren Rollen) reflektiert.

Dieser Huttner ist vom Maskenbildner des Theaters zum Bestattungsunternehmer aufgestiegen (die beiden Berufe haben ja einiges gemeinsam) und erfüllt die ihm unangenehme Pflicht, Eliza für die Kremation vorzubereiten. Sein Gehilfe, der nur halbwegs geläuterte Nachwuchs-Kriminelle Philipp, wird von Camillo Guthmann mit flinken Stepptanzschritten und geschliffenem Mundwerk verkörpert.

Es gab im Theaterpublikum spontanen Applaus – wahrscheinlich vor allem von jenen Besucherinnen und Besuchern, die im Stadtkanton keine Steuern zahlen.

Sonderlich erfolgreich ist das Bestattungsunternehmen «Little Shop of Sorrow» allerdings nicht, es droht die Pfändung und am Ende die Geschäftsaufgabe. Schwacher Trost: Dem städtischen Theater geht es nicht besser. Es wird von einer Staubsaugerfirma übernommen und steht fortan im Dienst der kommerziellen Reklame. Als der Bürgermeister in einem Anflug von Theaterbegeisterung eine Verdopplung der Subventionen ankündigte, gab es im Theaterpublikum spontanen Applaus. Wahrscheinlich vor allem von jenen Besucherinnen und Besuchern des Theaters, die im Stadtkanton keine Steuern zahlen.

Da alle Stimmen elektronisch verstärkt werden und die Musik nie zu dick aufträgt, ist die Textverständlichkeit ungewöhnlich gut. Der von Michael Clark einstudierte Theaterchor erweist sich einmal mehr als überaus vielseitig, und die Jazzcombo mitsamt Big Band spielt unter Leitung von Thomas Wise ungemein farbig und beherzt.

Das Publikum entliess das ganze Darsteller-Team nach fast drei intensiven Stunden erst nach einer Viertelstunde Premierenapplaus mitsamt Standing Ovation. Ob diese Uraufführung dem etwas in einer Midlife Crisis steckenden Genre Musical neues Leben einhauchen kann, bleibe dahingestellt. Dass sie dem Basler Theater zu spektakulärer Aufmerksamkeit verhilft, ist indes schlechterdings nicht zu bezweifeln.

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Kommentare

Florian Suter
Hausarzt im Ruhestand

Herzlichen Dank für diese Besprechung!

Früher hatte ich den Verfasser dieser Rezension bisweilen etwas griesgrämig empfunden. Seine Theaterbesprechungen auf OnlineReports sind aber grösster Lesegenuss, treffen meist den Nagel auf den Kopf – und animieren oft unbedingt zu einem Besuch des Theater Basel. Herzlichen Dank, lieber Sigfried Schibli!