Jetzt packt auch Florence Brenzikofer die Regierungs-Lust

Selten löste im Baselbiet eine Regierungs-Ersatzwahl einen solchen Nachfolge-Hype aus. Auch die Grünen-Nationalrätin wagt sich aus der Deckung: «Ich habe Interesse.»

Florence Brenzikofer und Isaac Reber
Sollte es mit der Regierungskandidatur im Herbst nicht klappen, will sie in Bern noch «Vollgas» geben: Florence Brenzikofer. (Bild: Peter Knechtli)

Geht es um Wahlen, zeigen sich die Parteipräsidien jeweils zugeknöpft oder schmallippig: Namen von Interessierten werden bis kurz vor der Nomination wie ein Staatsgeheimnis gehütet.

Nicht so derzeit im Baselbiet, wo es darum geht, den Sitz der FDP-Bildungsdirektorin Monica Gschwind neu zu besetzen. Der erste Wahlgang ist auf den 26. Oktober angesetzt. Weit über ein Dutzend Namen, die sich tatsächlich oder vermeintlich um diesen einen Sitz in der fünfköpfigen Exekutive bemühen, lassen die Parteizentralen frei zirkulieren – die meisten sind Angehörige des Landrats.

Interesse an der Bildungsdirektion

In diesem Füllhorn der Aspiration tauchte bisher der Name von Florence Brenzikofer nicht auf. Doch gegenüber OnlineReports bekundet die 50-jährige Grünen-Nationalrätin Lust, vom parlamentarischen Bundeshaus-Sessel auf die heimatliche Regierungsbank zu wechseln. Auch Parteipräsident Michael Durrer bestätigt auf Anfrage die Regierungs-Ambition der Oltinger Politikerin. Sie sei «eine von mehreren Personen, mit denen wir Gespräche führen», aber sicher die bekannteste.

Die Sekundarlehrerin – die das Regierungsamt nie ausgeschlossen, sich aber bisher nicht konkret dazu geäussert hat – verweist darauf, dass sie durch ihren Beruf und als Mitglied der nationalrätlichen Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur für die gleichgelagerte kantonale Direktion der zurücktretenden Monica Gschwind prädestiniert wäre.

So unbestritten ihre Kompetenz in Bildungsfragen ist, so schwer fällt es in Politikkreisen, sich auf den Zeitpunkt ihrer Ambitions-Bekundung einen Reim zu machen. Denn bereits seit 2023 verfügt Mitte-Links in der Baselbieter Regierung mit Kathrin Schweizer (SP), Isaac Reber (Grüne) und Thomi Jourdan (EVP) über eine numerische Mehrheit.

Ein realitätsfernes Szenario

Dass Reber noch vor Ablauf der Legislatur noch vor den nächsten Gesamterneuerungswahlen im Frühjahr 2027 zurücktritt, ist nicht anzunehmen. Möchte seine Parteikollegin Brenzikofer nun tatsächlich schon im Rennen um die Gschwind-Nachfolge mitmischen, käme dies einem Anspruch auf eine grüne Doppelvertretung in einem Gremium gleich, in dem Mitte-Finanzdirektor Anton Lauber als einzige bürgerliche Kraft übrig bliebe. Ein realitätsfernes Szenario.

Nach Informationen von OnlineReports war die SP über Brenzikofers Entscheid nicht informiert. Während mehrere Exponenten darüber ihr Erstaunen ausdrücken, wiegelt Parteipräsident Nils Jocher ab. Die SP stehe mit den Grünen «stets in einem konstruktiven Austausch», sagt er. «Zu potenziellen Kandidaturen von anderen Parteien äussere ich mich nicht.»

Es scheint, als habe der bevorstehende Wahlgang auch linken Polit-Strategen die Sprache verschlagen. Denn eine Routinesache ist diese Ersatzwahl in allen Parteien nicht. Gerade in Zeiten wie diesen ist Transparenz in Parteizentralen verpönt: Der Kanon der Krypto-Kreativen betreibt verbale Schönmalerei («Wir können entspannt zurücklehnen», «Wir führen Gespräche»), wo wirklich eher Planlosigkeit herrscht. Zuviel steht nicht nur rund um diese Ersatzwahl auf dem Spiel.

SVP wegen Nicht-Wahl in Schockstarre

Es geht um die Spätfolgen der Gesamterneuerungswahlen vom Frühling 2023. Hier scheiterte – zum wiederholten Mal – die traditionelle Bürgerliche Zusammenarbeit (Büza) von SVP, FDP und der Mitte in ihrem Grundsatzzweck, die bürgerliche Mehrheit in der Regierung über alle ideologischen Differenzen hinweg abzusichern.

Folge: Die Liestaler SVP-Nationalrätin Sandra Sollberger verpasste die Wahl in die Kantonsregierung und sorgte dafür, dass die mit 23 Prozent Wähleranteil (Landratswahlen 2019) stärkste Partei des Kantons aus der Exekutive flog und stattdessen erstmals ein Vertreter der Kleinstpartei EVP in eine Kantonsregierung gewählt wurde. Freisinnige und Mitte hatten der pointiert rechts politisierenden Malermeisterin die robuste Gefolgschaft verweigert. Die SVP fiel in Schockstarre.

Richtig warm miteinander wurden die Allianz-Parteien seither nicht mehr. Denn die SVP hat mit den Freisinnigen noch eine Rechnung offen. Kaum hatte Gschwind im Juni das Ende ihrer Regierungstätigkeit verkündet, sagte die SVP der FDP (Wähleranteil: 18 Prozent) den Kampf an: Seine Partei, teilte SVP-Präsident Peter Riebli postwendend mit, werde «selbstverständlich antreten» – und damit den einzigen freisinnigen Sitz bedrohen.

Diese selbstbewusst schroffe Ankündigung löste im Rest des politischen Spektrums bis heute vor allem eine Reaktion aus: Riebli pokert! Alibiübung! Die SVP werde letztlich verzichten und die freisinnige Kandidatur unterstützen, sobald sie die Gegenleistung dafür in die akzeptable Höhe getrieben habe.

Ob diese Zweifel am geschickten SVP-Strategen berechtigt sind, ist vorläufig fraglich. Gegenüber OnlineReports bekräftigte Riebli am Montag erneut, seine Partei werde «mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit antreten». Und er hält den Auswahl-Druck auf die FDP aufrecht: «Wir haben nicht mit allen FDP-Interessenten die gleiche politische Schnittmenge.»

Wohl Rieblis Kalkül: Bei einer Niederlage gegen die FDP wäre die SVP-Kandidatur genügend bekannt und reif für den Angriff in den Wahlen von 2027.

Ausmarchung im ersten Wahlgang

Am Dienstagabend beschliesst die SVP-Spitze, ob sie dem Parteitag nur eine oder zwei Persönlichkeiten mit Bildungs-Affinität zur Auswahl vorschlagen wird. Zur Debatte stehen der konservative, im Auftritt aber gemässigte, wenn auch noch wenig bekannte Rümlinger Landrat Matthias Liechti und die dem rechten Lager angehörende Reinacher Landrätin Caroline Mall.

Das Kalkül einer SVP-Konkurrenz-Kandidatur gegen die FDP könnte darin bestehen, dass in einem zweiten Wahlgang jene Bewerbung antreten darf, die in der ersten Runde mehr Stimmen erzielt hat. Was aber nach einer fairen Ausmarchung klingt, kommt in der Mitte nicht gut an. Die Partei tritt nicht zur Ersatzwahl an und will die FDP-Kandidatur unterstützen. Ein Mitglied der Mitte sagt: «Man kann die Freisinnigen nicht aus der Regierung ausschliessen.»

Ein ähnliches Auswahlverfahren im Hinblick auf einen zweiten Wahlgang sähe auch die SP, bei der vor allem Bildungsexperte Roman Brunner im Gespräch ist.

Der Muttenzer Gymnasiallehrer Brunner hält es als «demokratiepolitisch richtig», wenn auf links-grüner Seite jene Kandidatur in die zweite Runde darf, die im ersten Durchgang vorne liegt. So war es auch in einer früheren Ständerats-Ausmarchung schon zwischen der Grünen Maya Graf und Eric Nussbaumer von der SP ausgehandelt worden.

Riskante Kandidatur

Mit ihrer Ankündigung hat die Grüne Florence Brenzikofer den Allianzpartner SP jedenfalls gehörig überrascht. Aber ihre Kandidatur, vorausgesetzt ihre Partei nominiert sie, ist nicht frei von Risiko. Schafft sie es nicht, sich im ersten Wahlgang gegen die SP durchzusetzen, könnte ihr dies negativ ausgelegt werden, wenn sie in einem zweiten Versuch bei den Gesamterneuerungswahlen 2027 auf die Nachfolge von Isaac Reber setzt. Es liegt jedoch auch im vitalen Interesse der SP, dass die Grünen ihren Sitz verteidigen.

Aus Florence Brenzikofers Optik könnte der jetzige Antritt ebenso das klare Signal im Hinblick auf den Wahltermin 2027 sein. Dies wäre dann ihre grosse – und wohl letzte – Chance einer Wahl in die Kantonsregierung. Grünen-Chef Durrer antwortet auf die Frage, ob seine Partei ihren Sitz dannzumal werde verteidigen können, mit einem knappen «Ja».

Mit Kommentaren zu ihren aktuellen Wahl-Chancen hält sich Brenzikofer zurück. Falls es im Oktober nicht klappe, wolle sie «in den nächsten zwei Jahren in Bern noch Vollgas geben».

Man mag einwenden, dass Mitglieder des Nationalrats es schwer haben, die Baselbieter Regierungsbank zu erreichen. Doch Sandra Sollberger und Thomas de Courten (beide SVP) scheiterten an ihrer nicht mehrheitsfähigen Rechtslastigkeit. Eric Nussbaumer (SP) verlor 2013 knapp gegen Thomas Weber (SVP) nach einem Störmanöver des Grünliberalen Gerhard Schafroth.

Brüchige Büza

Eine grundsätzliche Frage stellt sich zur Zukunft des Machtsicherungs-Instruments Büza in diesem Landkanton, dessen bürgerliche Majorität an der Urne nicht mehr mit Berechenbarkeit vorausgesetzt werden kann. Gerade die mächtige SVP fühlte sich in den vergangenen Jahren wiederholt gedemütigt, weil die Unterstützung durch FDP und Mitte oft mehr Wort als Wirklichkeit war. Sie sieht sich deshalb nicht zwingend an die Allianz gebunden.

Der Gschwind-Rücktritt löst viel mehr als nur einen formalen Pflicht-Akt aus. Durch die weiteren anstehenden Rücktritte aus Regierung und nationalem Parlament ist er Ausgangspunkt einer starken personellen Erneuerung und Verjüngung des Personals geworden. Der politischen Kultur, die in der letzten Dekade im Baselbiet nicht durch strategische Weitsicht glänzte, kann dies nur guttun.

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Nachfolge Monica Gschwind

Kommentare

Ruedi Basler
Sozial-Pädagoge

Positiv

Frau Brenzikofer ist eine valable, integre, verantwortungsvolle und zukunftsgerichtete Persönlichkeit. Sie passt bestens in die Baselbieter Regierung.