SP trickst Grüne aus – und setzt FDP unter Druck
Mit dem GLP-Deal überraschen die Sozialdemokraten nicht nur die politische Konkurrenz, sondern auch ihre langjährige Partnerin, die Grünen. Das neue Bündnis verändert das Kräfteverhältnis – und macht die Ersatzwahl zur offenen Partie mit Signalwirkung für 2027.
Die Nachricht, dass die Baselbieter SP bei der Ersatzwahl am 26. Oktober für die freisinnige Bildungsdirektorin Monica Gschwind nicht antritt und stattdessen die GLP-Kandidatin Sabine Bucher unterstützt, befeuert die Vorwahlkampfphase stark. Damit hätte kaum jemand gerechnet. Wobei der Verzicht auf eine eigene Kandidatur weniger erstaunt als das Bündnis mit den Grünliberalen.
Die Sozialdemokraten brachten sich zwar schon früh ins Spiel (es wird von der zweitgrössten Kraft im Kanton so erwartet), doch schienen sie von der Idee, zwei Jahre vor den Gesamterneuerungswahlen in einen teuren Wahlkampf zu steigen, mässig angetan. Auch drängte sich als Kandidatin oder Kandidat niemand wirklich auf: Bildungspolitikerin Miriam Locher wartet auf den Rücktritt von Eric Nussbaumer, um im Nationalrat Platz zu nehmen. Für Adil Koller ist es noch zu früh, und vom früheren Fraktionspräsidenten Roman Brunner, der als Favorit galt, kam auch keine klare Zusage. Zudem dürften die Chancen der SP auf einen zweiten Sitz in der Baselbieter Regierung bei der aktuellen Ausgangslage doch eher gering sein.
Der echte Knaller ist denn auch der Deal mit der GLP. Vor allem auch, weil SP und Grüne bei Wahlen seit jeher zusammenspannen und man daher eher erwartet hätte, dass sich Rot-Grün auf eine gemeinsame Kandidatur einigen würde. Und weil sich die Grünen mitten im Auswahlverfahren befinden und mit Nationalrätin Florence Brenzikofer bereits eine mögliche Kandidatin ihr Interesse offiziell bekundet hat.
«Der Zeitpunkt hat mich überrascht.»
Michael Durrer, Grünen-PräsidentWas also läuft zwischen SP und Grünen ab? Droht da etwa ein Bruch? Sowohl SP-Chef Nils Jocher als auch Grünen-Präsident Michael Durrer betonen die gute Beziehung zwischen den beiden Präsidien. Man tausche sich regelmässig aus und treffe sich auch immer wieder auf ein Bier, heisst es von beiden Seiten.
Tatsache ist aber, dass die Grünen erst am Mittwoch vom Deal der SP mit der GLP erfahren haben, wie Durrer bestätigt. «Ich wusste, dass die SP mit den Grünliberalen im Gespräch war – wir im Übrigen auch», sagt er. Allerdings sei er davon ausgegangen, dass die bisherige Bündnispartnerin den Entscheid wie angekündigt erst an der Delegiertenversammlung am 20. August fällen würde, zumal bei der SP ja auch immer von einer eigenen Kandidatur die Rede gewesen sei. «Der Zeitpunkt hat mich überrascht.»
Partnerschaft geht anders. Oder: Die SP hat die Grünen geschickt ausgetrickst.
Der Deal mit den Grünliberalen sieht nämlich so aus: Wenn die Sozialdemokraten jetzt Sabine Bucher unterstützen, wird die GLP bei den Ständeratswahlen im Jahr 2027 die SP-Kandidatur unterstützen. Mit Nationalrätin Samira Marti steht seit Längerem auch schon die Kandidatin fest. Damit erhöht die SP den Druck auf die Grünen und deren Ständerätin Maya Graf. Denn die amtsälteste Parlamentarierin in Bern hat noch nicht entschieden, ob sie in zwei Jahren für eine dritte Legislatur im Stöckli antreten wird.
Ständeratskandidatur im Blick
«Für uns ist klar, dass wir Maya Graf unterstützen, sollte sie 2027 erneut kandidieren. Wenn aber nicht, dann ist es für uns genauso klar, dass Samira Marti von der SP die stärkste Kandidatin der progressiven Kräfte ist», sagt Nils Jocher. Dies habe insbesondere ihr Spitzenresultat bei den Wahlen 2023 gezeigt. Die 31-Jährige landete nur knapp hinter Eric Nussbaumer und erreichte mit 32’885 Stimmen das zweitbeste Ergebnis aller Kandidierenden.
Mit den Grünliberalen im Boot könnte die SP auch Wählerinnen und Wähler aus der politischen Mitte abholen. Und je nachdem, wen die Bürgerlichen aufstellen, auch solche aus dem freisinnigen Lager.
Grünen-Chef Michael Durrer fühlt sich aber «nicht unter Druck gesetzt». Ausserdem seien die nationalen Wahlen noch zu weit weg. Er möchte sich jetzt erst einmal auf die Regierungs-Ersatzwahl konzentrieren. Der Vorstand halte am festgelegten Fahrplan fest – daran ändere auch der Deal der SP mit der GLP nichts – und treffe sich voraussichtlich am 14. August, um das weitere Vorgehen zu beschliessen. Neben Florence Brenzikofer haben auch der Prattler Gemeinderat und frühere Grünen-Präsident Philipp Schoch, Franktionsschef Stephan Ackermann und die Waldenburger Gemeindepräsidentin Andrea Sulzer Interesse an einer Kandidatur angemeldet.
Das SP-GLP-Päckli ändert auch nichts an den Regierungsambitionen von Florence Brenzikofer. Wobei ihr klar ist, dass sich die Ausgangslage für sie geändert hat. «Wir müssen die Situation genau analysieren. Es darf niemand verheizt werden», sagt sie.
Keinen Anspruch auf einen zweiten Sitz
Genau das könnte aber passieren, wenn die Grünen am 26. Oktober antreten. Denn abgesehen von der fehlenden Unterstützung der SP dürfte es bei einem Wähleranteil von 12,53 Prozent (Landratswahlen 2023) auch schwierig sein, den Wählerinnen und Wählern den Anspruch auf einen zweiten Regierungssitz plausibel zu erklären. Zum Vergleich: Die SVP ist als stärkste Kraft im Baselbiet mit einem Wähleranteil von knapp 23 Prozent nicht in der Kantonsexekutive vertreten.
Eine grüne Kandidatur wäre demnach chancenlos und gerade auch im Hinblick auf die kantonalen Gesamterneuerungswahlen 2027 riskant. Dann ist nämlich davon auszugehen, dass Baudirektor Isaac Reber nach vier Legislaturen keine weitere mehr anhängt. Die Grünen hätten so die Möglichkeit, ihren Sitz unbelastet zu verteidigen. Zumindest dürfte es ihnen leichter fallen, eine Kandidatur zu rechtfertigen als zum jetzigen Zeitpunkt.
Selbstverständlich habe er sich diese Überlegungen auch gemacht, sagt Grünen-Präsident Durrer. Doch hält er es für falsch, eine Kandidatur vom Wähleranteil einer Partei und dem entsprechenden Anspruch abhängig zu machen. Es komme auf die Person und deren Kompetenzen an.
Jedenfalls möchte Durrer im Moment nichts ausschliessen – auch nicht, dass die Grünen auf eine Kandidatur verzichten und zusammen mit der SP die GLP unterstützen.
Szenario mit drei Kandidierenden
Darauf dürfte es am Ende vermutlich hinauslaufen. Dies würde bedeuten, dass drei Kandidierende um die Nachfolge von Monica Gschwind kämpfen: die Grünliberale Sabine Bucher und je eine Kandidatin oder ein Kandidat der FDP und der SVP.
Die Parteileitung der FDP wird in den nächsten Tagen ihre Empfehlung für die Mitglieder beschliessen, aber wahrscheinlich erst kommende Woche kommunizieren, wie Parteipräsident Melchior Buchs sagt. Nach den jüngsten Ereignissen lohne es sich, den Entscheid noch etwas hinauszuzögern.
Tatsächlich zwingt die neue Ausgangslage die FDP, sich gut zu überlegen, wen sie ins Rennen schickt, wenn sie ihren Sitz halten möchte. Denn mit der Unterstützung der SP und allenfalls auch jener der Grünen und der EVP bekommt die GLP-Kandidatur plötzlich ein ganz anderes Gewicht.
Zur Auswahl stehen bei der FDP die Buuser Gemeindepräsidentin und Landrätin Nadine Jermann, der Arlesheimer Gemeindepräsident Markus Eigenmann, der Liestaler Stadtpräsident Daniel Spinnler, der Aescher Landrat Rolf Blatter und der frühere Grüne und Neo-Freisinnige Klaus Kirchmayr. In den vergangenen Tagen hatte sich ein Dreierticket mit Jermann, Eigenmann und Spinnler abgezeichnet. Ob dieses noch aktuell ist, will Buchs nicht sagen.
Entspannte SVP
Beim Freisinn macht sich Nervosität bemerkbar. Nicht so bei der SVP. Präsident Peter Riebli verfolgt die neusten Entwicklungen zwar mit Interesse. Deswegen aber zugunsten der FDP auf eine eigene Kandidatur zu verzichten, komme für ihn nicht infrage, sagt er. Der Parteitag werde am 14. August entweder Caroline Mall oder Matthias Liechti nominieren. Sollten signifikante Überraschungen folgen, könnte man bis zum 25. August, dem Abgabetermin für die Wahlvorschläge, immer noch reagieren.
Noch ist also nichts entschieden. An Überraschungen fehlt es bei dieser Ersatzwahl nicht.
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