Die Chancen der FDP sind wieder gestiegen

Die SVP setzt mit Caroline Mall auf eine Regierungskandidatin aus dem lauten Lager. Das schafft Raum für den Freisinnigen Markus Eigenmann. Können sich die beiden zerstrittenen Allianz-Parteien im zweiten Wahlgang zusammenraufen?

Die drei Politiker Sabine Bucher, Markus Eigenmann und Caroline Mall kandidieren am 26. Oktober 2025 für die Baselbieter Regierung.
Sie wollen ins Regierungsgebäude: Sabine Bucher, Markus Eigenmann, Caroline Mall. (Bild: Collage OnlineReports)

Im Baselbiet war das politische Geschehen selten so spannend wie im Moment. Die Ersatzwahl für die abtretende Regierungsrätin Monica Gschwind hat es in sich. Am 26. Oktober entscheiden die Wählerinnen und Wähler, wer den Posten der Freisinnigen in der Bildungs-, Kultur- und Sportdirektion übernehmen soll. Vermutlich benötigt es am 30. November einen zweiten Wahlgang.

Doch es geht um viel mehr als um die Person. Es geht um die politische Ausrichtung des Baselbiets, um neue Machtverhältnisse.

Wird es nach dem Wahlsonntag noch eine bürgerliche Zusammenarbeit geben? Wie nachhaltig ist die neue Allianz von SP und GLP? Wie verschieben sich die Kräfteverhältnisse im Kanton? Mittet sich Baselland ein?

Es zeichnet sich bereits ab, in welche Richtung es gehen könnte.

Aller Voraussicht nach werden im Herbst drei Kandidierende zur Ersatzwahl antreten: der Arlesheimer Markus Eigenmann für die FDP, die Reinacherin Caroline Mall für die SVP und Sabine Bucher aus Sissach für die GLP. Kommende Woche wollen sich die Parteispitzen von FDP und SVP zwar noch einmal zum Gespräch treffen. Dieses dürfte allerdings an der jetzigen Ausgangslage nicht viel ändern. Spätestens am 25. August müssen die Parteien ihre Wahlvorschläge einreichen.

SVP-Chef Peter Riebli hat unmissverständlich zu verstehen gegeben, dass seine Partei nicht «der Steigbügelhalter der FDP» sein wolle und sicher im ersten Wahlgang antreten werde. Nach dem Entscheid der Basis kann es sich Riebli auch nicht mehr leisten, in letzter Minute zurückzukrebsen und die Kandidatur zu stornieren. Die SVP-Mitglieder waren zahlreich am Parteitag vertreten und haben damit signalisiert, dass ihre Partei bei dieser Ersatzwahl mitmischen soll, ja muss – auch auf Kosten der Bürgerlichen Zusammenarbeit, der Büza.

Mit der Wahl von Caroline Mall haben die SVP-Mitglieder zudem die Richtung bestätigt, die die Partei seit dem Antritt von Peter Riebli als Präsident im Frühjahr 2024 eingeschlagen hat. Die Reinacher Landrätin gehört im Gegensatz zum gemässigten Matthias Liechti, der sich etwa gegen ein Gender-Verbot an Schulen ausspricht, dem radikalen und lauten Flügel an. Sie zählt zu Rieblis Vertrauten und hat ihn im Richtungsstreit der Partei durch alle Böden verteidigt.

Mit Mall als Kandidatin bleibt die SVP zwar ihrer aktuellen Linie treu, minimiert aber zugleich ihre Chancen auf Erfolg. Vergangene Wahlen haben gezeigt, wie schwer es extreme Kandidaten und Kandidatinnen bei Majorzwahlen im Baselbiet haben. 2023 verlor Nationalrätin Sandra Sollberger gegen Thomi Jourdan von der EVP, einer Kleinstpartei. Vor ihr war auch schon Nationalrat Thomas de Courten gescheitert. Matthias Liechti hätte als Moderater durchaus bessere Chancen gehabt.

Die Kandidatur Mall schafft aber Raum für den Freisinnigen Markus Eigenmann. Die Chancen der FDP, im ersten Wahlgang vor der SVP zu liegen, sind höher, als sie es mit Konkurrent Liechti gewesen wären.

Eigenmann ist in dieser Ausgangslage der bestmögliche freisinnige Kandidat. Als Arlesheimer stammt er aus dem bevölkerungsreichen Teil des Baselbiets. Dass Wahlen hier entschieden werden, weiss auch die Grünliberale Sabine Bucher, die ihren Wahlkampf auf diese Gegend ausgerichtet hat. Sie geht noch weiter und startet mit einem Anlass in der Tipioase – die in Dornach und damit sogar ausserhalb des Kantonsgebiets liegt.

Der Arlesheimer Unternehmer ist aber auch deshalb der richtige Kandidat, weil er den Willen zur Veränderung ausstrahlt und so insbesondere progressive Wählerinnen und Wähler ansprechen kann. Das hilft ihm rechts wie links. Vorbehalte, weil er eine Gemeindeinitiative zugunsten reicher Gemeinden lanciert hat, kontert er geschickt mit dem Hinweis, dass beim Finanzausgleich ein Kompromiss gefunden werden müsse. Das sehen auch Vertreterinnen und Vertreter von Nehmer-Gemeinden so.

Riebli läuft Gefahr, dass der Richtungsstreit in der SVP erneut aufflammt.

Der Bruch in der bürgerlichen Zusammenarbeit kann nur gekittet werden, wenn es der Freisinnige in den zweiten Wahlgang schafft. Zwischen den beiden Parteien ist bereits viel kaputt gegangen.

Die offensive Strategie von SVP-Chef Riebli ist riskant. Er läuft zudem Gefahr, dass der Richtungsstreit in der SVP erneut aufflammt. Dass Matthias Liechti intern nur knapp gegen Mall unterlag, obwohl niemand für ihn das Wort ergriffen hatte, sollte Riebli alarmieren: Die SVP ist nach wie vor gespalten, auch wenn sich die Unzufriedenen offenbar nicht trauen, das Wort zu erheben. Es ist bekannt, dass nicht alle mit dem Angriff auf den FDP-Sitz einverstanden sind. Für sie ist wohl auch Eigenmann wählbar. Vermutlich auch für Reto Tschudin, der sehr gerne Regierungsrat werden würde, jetzt aber wegen seines Landratspräsidiums nicht kandidieren kann. Schafft es Mall nicht, hat er 2027 wieder eine Chance.

Riebli kann den Schaden begrenzen, wenn er Wort hält und im zweiten Wahlgang vollen Einsatz für Eigenmann zeigt. Im Gegensatz zu Nadine Jermann und ihren Verstrickungen zur angeschlagenen Basellandschaftlichen Kantonalbank hat er beim Arlesheimer wenig Grund, seine Unterstützung zu verwehren. Es wird interessant und für die weitere Zusammenarbeit entscheidend sein, wie die Bürgerlichen im Wahlkampf den Spagat zwischen Konkurrenz und Partnerschaft bewerkstelligen wollen. Zu einem funktionierenden und schlagkräftigen Bündnis, wie dies unter den Präsidien von Oskar Kämpfer (SVP), Christine Frey (FDP) und Marc Scherrer (damalige CVP) der Fall war, wird es wohl nicht so bald wieder kommen. Dazu fehlt offensichtlich der Blick fürs Ganze. Vielmehr droht eine Distanzierung wie im Nachbarkanton Basel-Stadt, wo sich die bürgerlichen Parteien schwer tun, mit der SVP zusammenzuarbeiten.

Mitte-Links muss aufpassen – Hochmut und Spott kommen bei den Wählerinnen und Wählern nicht gut an.

Etwas spöttisch sassen die Parteispitzen von SP, GLP und Grünen am Donnerstagabend bei Popcorn und Bier in einer Bar – die BaZ zeigte ein Bild der Gruppe in ihrem Ticker. Die Kandidatin der neuen Mitte-Links-Allianz, die Grünliberale Sabine Bucher, startete mit einem Vorsprung. Geschickt nutzen die neuen Verbündeten die Querelen im bürgerlichen Lager aus, melden Anspruch an und gehen – bis auf die Grünen mit ihrer wagemutigen Ankündigung einer möglichen Kandidatur Florence Brenzikofer – auch kommunikativ geschickt vor.


Tatsächlich sah es einen Moment lang danach aus, dass die Baselbieter Regierung ab 2026 aus je einem Vertreter oder einer Vertreterin der SP, der Grünen, der Mitte, der EVP und der GLP bestehen würde – und erstmals ohne FDP. Eine Sensation im (bisher) bürgerlichen Baselbiet. Dennoch muss Mitte-Links aufpassen – Hochmut und Spott kommen bei den Wählerinnen und Wählern nicht gut an.

Und nun ist auch alles wieder offen. Selten so spannend!

Weitere Artikel über die Ersatzwahl von Monica Gschwind lesen Sie in unserem Dossier.

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